Bereits zur U3 wies uns die Ärztin darauf hin, dass die linke Körperhälfte nicht gerade Arthurs starke Seite sei. Sein linkes Bein konnte er weniger anwinkeln als das rechte, seinen Kopf drehte er öfter auf die rechte, als auf die linke Seite und demzufolge war auch seine rechte Kopfhälfte platter als die linke.

Neben einer Klett-Spreizhose bescherte uns diese Diagnose viel Spaß beim abendlichen Zubettgehen. Um seinen Kopf gleichförmig zu formen sollten wir ihn „zwingen“ auf der linken Seite zu schlafen. Anfänglich reichte dafür ein Moltontuch, was ich ihm unter die rechte Schulter schieben konnte, aber schon bald hatte er diesen Trick durchschaut. Immer öfter fand ich ihn in einer absurd-verzerrten Haltung vor: Sein ganzer Körper war nach links geneigt, nur sein Kopf regte sich abnormal nach rechts. Er stemmte sich gegen die immer größer werdenden Gegenstände, die ich ihm in den Rücken legte und schob sie beiseite. Als wolle er mir zeigen: „Mama das ist mein Bett, hier mache ich was ich will!“, war er bald nicht mehr zu bändigen.

Mein vorletzter Clou war ein Berg aus sieben Kuscheltieren, die ich wie eine Wand hinter ihm auftürmte. Ich stabilisierte die Mauer am Kinderbett und war mir sicher, die würde er nie bewältigen. Als ich nachts von einem angestrengten Röcheln wach wurde, konnte ich nun Zeuge eines genialen Schachzuges meines Sohnes werden: Eingepackt in seinen Schlafsack, sah er aus wie eine Frühlingsrolle, die sich wie ein Metronom immer vor und wieder zurück rollte. Mit diesen Stößen schaffte er es doch tatsächlich, dass der Berg sich in seine Einzelteile auflöste und er schließlich die Plüschtierarmee besiegen, seinen Willen durchsetzen und sich genüsslich auf die rechte Seite drehen konnte. Bestimmt krönte er seinen Sieg mit einem breiten Grinsen, was mir aufgrund der Dunkelheit allerdings verborgen blieb.

Gestern nun ging ich in Phase drei über: Dem Umdrehen. Arthur ist ein Sonnenanbeter, d.h. egal wann und wo, er stiert immer zum Fenster. Also dachte ich, müssen wir einfach seine Blickrichtung ändern und er würde Gefallen an der linken Seite finden. Doch das war eine Fehleinschätzung. Selbst als er gespukt hat und sein Gesicht in seiner eigenen Milch-Magensaft-Suppe lag, brachte ihn das nicht dazu seinen Kopf zu wenden.

Inzwischen hat sich zu seiner platten Kopfhälfte auch noch lagebedingter Haarausfall gesellt. Während er also kaum noch Haare auf der rechten und hinteren Kopfseite hat, strotzt seine linke Seite voller goldener, langer Strähnen. Am Wochenende ist nun der 50. Geburtstag meines Schwiegervaters und ein Großteil der Familie wird zum Feiern in die Stadt kommen. Natürlich sind es ausgerechnet diese Events an denen unser Herr Sohnemann aussieht wie ein gerupftes Huhn und man ihm am liebsten eine Plastiktüte über den Kopf ziehen möchte. Aber inzwischen sind mir solche Sachen egal. Ich halte es wie damals bei der Zinksalbe: Schulterzucken und freuen, dass es ihm ansonsten gut geht und er Spaß am Leben hat.

 


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