Je älter Herr Arthur wird, desto deutlicher treten markante Charakterzüge hervor, die seine Persönlichkeit ausmachen. Oft finden mein Mann und ich uns auch in seinem Verhalten wieder und fühlen uns an Geschichten unserer Kindheit erinnert. Während mein Mann damals wie heute kaum Schlaf braucht und von seiner Mutter gerne als „der Bettschoner“ bezeichnet wird, war ich ein Wirbelwind, der nicht ruhig sitzen bleiben konnte und kann. Arthuro vereint nun diese beiden wunderbaren, negativen Eigenschaften, was uns so manchen Nerv raubt. Zwischen 4 und 6 Uhr am Morgen beginnt sein Tag mit kraftvollen Tänzen an den Gitterstäben seines Bettes und für die nächsten 5,5 bis 7,5 Stunden stellt er die Wohnung auf den Kopf.
Seitdem er sich selbstständig bewegen kann habe ich mir angewöhnt ihn aus seinem Bett zu lassen, alles Risikohafte wegzuräumen und ihn einfach spielen zu
lassen, bis ich mich geistig und körperlich in der Lage fühle mein weiches Bett zu verlassen. Seine motorischen Fähigkeiten und Entdeckungslust sind aber in den letzten Wochen so kräftig angestiegen, dass mich jetzt jedes Mal ein Schlachtfeld erwartet, wenn ich den Flur betrete. Also öffne ich ihm nur sein Zimmer, den Flur und das sowieso begehbare Schlafzimmer. Das allein bietet mir schon jeden Morgen eine halbe Stunde Frühsport und vertreibt den lästigen Schlafsand aus den Augen.
In seinen ruhigeren Momenten, die einem zugegebenermaßen nicht direkt auffallen, rotiert er weiter, aber mit den Augen. Heimlich beobachtet er viel mehr, als mir zunächst klar war und das Resultat entdecke ich meist, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Auf einmal öffnet er die Schublade aus der ich vor wenigen Minuten noch Socken geholt habe, prüft ob ich die Schranktür auch wirklich richtig zugemacht habe, ob ich die roten Zwiebeln auch ja nicht mit den weißen vermischt habe und ob ich den Staubsauger auch ja in jede Ecke der Wohnung fahre.
Das erschreckende bei dieser Tatsache ist nun aber, dass wir nicht gerade zu den Mustereltern gehören. Aktuell befinde ich mich, ohne Untertreiben zu müssen, in der Hochphase meiner Schussligkeit. In meinem Wuselwahn nehme ich alles mit, was mir begegnet und lasse Tassen, Gläser, Teller nacheinander runterfallen und zerschellen. Ich habe noch meinen Vater im Ohr, wie er früher einen lauten Seufzer machte und halb mitleidig, halb genervt fortfuhr: „Das einzige Kind und ein Taps.“ Noch heute zählt diese liebenswerte Eigenschaft zu den Glanzpunkten meines Wesens, besonders wenn ich Stress habe oder nervös bin.
Während ich also laut fluchend (jaja, pädagogisch nicht gerade wertvoll, ich weiß) ein wahres Klimperkonzert vor Arthuros Augen veranstalte, warte ich jeden Tag ängstlich darauf, was er alles herunterwerfen wird. Glücklicherweise scheint dies aber nicht zu seinen Lieblingsspielen zu gehören, sodass erst eine Wasserkaraffe (aber die dafür gleich zweimal, danke an alle Sofakissenhersteller!), eine Kaffeetasse und seine Essschüssel die Erdanziehungskraft an wirkungsvollen Selbstversuchen erleben durften. Ansonsten verhält er sich recht human. Im Gegensatz zu den anderen Kindern in meinem Bekanntenkreis, reizt es ihn z.B. (noch) überhaupt nicht den Inhalt der gerade geöffneten Schränke auszuräumen. Bestimmt schaut er rein, erkennt das System und denkt sich: „Gut gemacht Mama, ich sehe du hast dir was dabei gedacht.“ Nur die Bücheranordnung in seinem Regal hat ihm letztens missfallen aber wir haben uns gemeinsam auf ein neues Konzept einigen können, was bisher gute Erfolge erzielt hat.