Jeder Abend ist zu einem Moment der Erholung geworden. Wir sitzen abends im Wohnzimmer, haben das Babyfon an und genießen die wenigen, ruhigen Minuten Zweisamkeit. Ein wenig sinnentleertes Fernsehen, ein warmes Essen und so können wir für die bevorstehende Nacht Kraft sammeln. Nur eines stört unsere Ruhe: Das Babyfon.

Nervös schauen wir alle paar Sekunden auf den kleinen weißen Tyrannen, der uns unsere kurze Ruhephase wie eine tickende Zeitbombe vor Augen hält. Inzwischen haben wir eine Art Phobie gegen den kleinen weißen Kasten entwickelt, den wir stetig argwöhnisch aus den Augenwinkeln beobachten. Sobald der kleine Mann zwei Zimmer weiter auch nur einen Seufzer von sich gibt, blinkt der weiße Tyrann in einem grellen Blau, das uns durch Mark und Beine geht. Wie Kinder, die beim nächtlichen Herumstromern erwischt werden, halten wir augenblicklich den Atem an, brechen jede Unterhaltung ab und erstarren zu Eis. Hin und wieder erwische ich mich selbst, wie ich mich ängstlich unter die Sofadecke verkrieche und alle möglichen Stoßgebete spreche, dass es nur ein kleines Stöhnen war. Natürlich springen wir sofort auf, wenn der Tyrann mehr als drei blaue Leuchten anzeigt und natürlich tun wir das gerne, weil wir wollen, dass es unserem kleinen Liebling gut geht. Aber wenn wir ehrlich sind, sind doch alle Eltern froh über etwas Zweisamkeit.

Im Laufe der nun zweieinhalb Wochen habe ich eine Theorie entwickelt: Die Industrie hat Babyphone entwickelt, um Eltern auch etwas Ruhe zu gönnen und ihnen trotzdem das Gefühl zu geben ihr Kind nicht zu vernachlässigen. Aber die viel wichtigere Funktion des Babyphons wurde bisher immer unterschlagen! Er ist künstlich hergestellter Aggressionspunkt. Gerade dann, wenn ich den warmen (von heiß wollen wir gar nicht erst reden) Tee zum Trinken ansetzen will, blinken drei Leuchten des weißen Tyrannen auf und alle Alarmglocken sind bei mir an. Der Tee wird eiskalt sein, wenn ich zurück bin, der Rücken wird vom vielen Schaukeln wehtun und dennoch werde ich voller Liebe mein Kind beruhigen, denn das einzige Ding, das mich von dem warmen Tee abgehalten hat war ja nicht der kleine Junge, sondern das böse Babyphon, was schon wieder blinken musste und mir keine Ruhe gönnen wollte.

 


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